Tagebucheintrag eines Stadtmenschen zum Bergwandern in den Allgäuer Alpen vom 27. bis 30. Juni 2019


Wir sind fast im Tal. Wir haben alle überlebt. Aber was machen diese Menschen, die auf dem Weg, den wir gerade runtergekommen sind, ihre Mountainbikes auf dem Rücken hochschleppen? Ich würde sie gerne fragen. Aber wie? Ich werde bestimmt voll stottern, weil ich so fertig bin. Zum Glück waren die andere noch fitter. Es hat sich herausgestellt, dass das ein offizieller Fahrradweg ist. Die Armen, wenn die wüssten was da oben kommt. Na ja, zurück sind sie nicht gekommen. Entweder haben sie es geschafft, oder sie sind… hm, bestimmt haben sie es geschafft.
Wir sind ganz im Tal und hier ist wieder ein Bach. Er ist nur für uns hier, damit wir nicht sofort sterben, habe ich mir gedacht. Unsere Rettung. Die Schuhe runter und rein in den Bach. Danach mit dem Bauch voll Wasser den nächsten Berg wieder hoch.
Wieder nur Steine. So steil wie es hier ist, war es vorher noch nicht. Die Gruppe hat sich wieder ein bisschen getrennt. Ich dachte mir, vielleicht noch eine halbe Stunde oder sowas. Bestimmt ist es nicht weit. Zum Glück wird der Ausblick immer schöner und schöner. Nach jeder Kurve kam die nächste, und ich merkte nicht, wie lange das gedauert hat.
Noch ein paar Bäche inzwischen, und dann haben wir sie gesehen – die Mindelheimer Hütte. Da haben die bestimmt noch etwas anderes als Bergwasser. Bald waren wir alle oben. Ein perfekter Ausblick, wolkenlos, Hitze, und frische Bergluft. Schöner geht es kaum. Aus diesem Grund war es wert durch diese Hölle zu gehen.
Wie gut ist es wieder am Tisch zu sitzen. Die Speise- und Getränkekarte vor der Nase. Fast so wie unten im Tal. Nur viel besser.
Das war jetzt schwer. Kann ich nicht einfach hier warten? Warum denn schon weiter gehen? Aber der Weg ist schön. Es ist wieder alles grün durch den Krumbacher Höhenweg. Und das erste Handysignal habe ich auch entdeckt. Endlich wieder Zivilisation. Wir werden überleben!
Wieder Berg hoch. Paar Meter weiter sehe ich schon Schnee. Und als wir in den Schatten kamen, war es plötzlich kalt. Also Rucksack runter und Jake anziehen. Ich brauche Wärme. Hinter uns ist noch eine Gruppe. Aber wir sind schneller. Jetzt sind wir diese Bergspitze ganz hochgegangen. Es ist nur noch Platz für ein paar Menschen. Derjenige mit Höhenangst, hat hier echt nichts zu suchen. Zum Glück habe ich heute entdecket, dass ich ganz locker da oben stehen kann. Super Ausblick!
Die Fiderepasshütte kann man da unten schon sehen. Da werden wir übernachten. Endlich. Nur noch durch den Fiderepass. Es ist voll mit Schnee, aber die Sonne scheint wieder auf uns. Ich habe wieder Energie. Ich habe das Gefühl bekommen, dass ich laufen muss. Ich bin sowieso nicht der erste. Manche sind schon da. Ich weiß nicht woher ich die Energie bekommen habe.
Essen, den Sonnenuntergang anschauen, schlafen. Dieses Mal im Lager. Volle Zimmer und jeder hat gefühlt einen halben Meter Platz zum Schlafen. Eine Dusche haben die hier auch nicht. Toll.

Schon wach? Wann bin ich eingeschlafen? Es war doch ganz gemütlich. Keiner hat stark geschnarcht und ich hatte auch auf jeden Fall genug Platz. Aber warum wollen denn schon alle aufstehen? Ok, wegen dem Frühstück und dem Kaffee lohnt es sich. Alle waren schon fertig, als ich endlich zum Tisch gekommen bin.
Wolkenlos. Man braucht eine Sonnenbrille schon zum Frühstück. Wie toll ist es hier! Wenn ich diesen Ausblick in München hätte! Wir machen noch das Gruppenbild. Dieses mit der Flagge im Hintergrund wird bestimmt toll.

Endlich Donnerstagnachmittag. Der Motor brummt, die Klimaanlage pustet auf volle Pulle. 35°C. Noch der letzte Stopp in einem Shop um ein Sonnenkäppchen zu kaufen. Nächstes Ziel: Hostel in Oberstdorf Tiefenbach.
Aus München sollte ich doch schnell dort sein, oder? Stau. Als ich zum Hostel gekommen bin, waren die anderen schon fleißig beim Abendessen im Gasthaus Schachtner. Zum Glück habe ich dorthin gefunden. Das Essen war echt lecker und der erste Abend hat sich gut entwickelt. Die Menschen waren toll.
Im Zimmer waren wir zu dritt.  Ich kann schwer sagen, wer mehr geschnarcht hat. Und die Morgendusche mit kaltem Wasser war echt erfrischend. Bis jetzt hat alles gepasst. Nur noch das leckere Frühstück, Kaffee, und danach Berg hoch. Auf diesen Moment habe ich lange gewartet.
Na ja, bis dort mussten wir noch ein Stück fahren. Aber jetzt geht’s echt los! Das Rappenalptal hoch. Genauso wie ich es erwartet habe: Grüne Wiesen, Kühe und enge Straßen fast ohne Autos. Fast, die Bayern müssen halt zeigen, wer den größten Traktor hat. Aber wie toll, dass jemand so eine gemütliche Tour organisiert, die auch für Anfänger geeignet ist. Genauso, wie ich es erwartet habe. Ich bin hierhergekommen, um mein Sprechen mit anderen Profis zu üben. Bis jetzt klappt alles gut. Der Weg war lang, aber endlich ist sie gekommen – die lang erwartete Schwarze Hütte, und das erste erfrischende Getränk. Das Leben ist toll.

Oh ja, die Beine spüre ich schon ordentlich. Aber dieses kleine Hügelchen hoch werde ich noch schaffen, habe ich mir gedacht. Zum Glück gehen wir da nicht ganz hoch. Das was wir sehen, ist doch für Profis. Eine schöne Wiese ist hier, und man kann sehen, dass hier später im Sommer die Kühe und Schafen kommen. Die müssen echt glücklich sein hier. Ha, da oben ist ein Wasserfall zu sehen. Schade, dass er ganz hoch ist, bis dahin werden wir sicher nicht gehen.
Die erste lange Pause. Warum sind manche schon ein par Meter hinten, sind ganz nass und atmen tief? Hm, ich muss mir keine Sorgen machen. Unser Organisator hat das bestimmt ganz gut geplant. Es stimmt, dass wir keine Bäume mehr sehen, aber Steine, die sind auch schön. Wir haben immer noch perfektes Wetter. 35°C und wir sind hier oben. Was für ein Ausblick! Schöner kann es nicht werden.
Oh ja! Da sind die kleinen Bäche zu sehen. Ich bin so durstig. Nur eine kleine Flasche Wasser habe ich mitgenommen. Zum Glück schmilzt das Eis noch. Wir haben alle frisch nachgefüllt. Bergwasser, kalt wie aus dem Kühlschrank.
Und jetzt weiter. Es wird steiler und steiler, aber der Ausblick immer schöner. So schnell gehen wir nicht mehr. Aber weiter bewegen wir uns immer noch. Die Muskeln brennen langsam. Aber da oben, da stehen schon viele Menschen. Das muss das Ziel sein. Nur noch eine halbe Stunde.
Das ist ein Gefühl! Ich stehe schon oben. Und die Rappenseehütte ist nur ein paar Meter entfernt. Ich warte noch auf die Anderen. Ich sehe doch alle. Ich weiß nur nicht, warum die so langsam gehen. Egal. Jetzt kommen das verdiente Essen und ein erfrischendes Getränk. Hier werden wir heute übernachten.
Da wir stark sind, sind wir nach dem Essen noch eine Runde gegangen. Eine gemütliche Tour bis zum immer noch teilgefrorenen See. Schuhe weg und rein ins kalte Wasser. Autsch! Schon kalt da oben. Aber die Sonne, die scheint immer noch so schön.
Dann eine tolle Entdeckung. Eine Dusche in den Bergen. Luxus. 3 Minuten, die wir alle ausgenutzt haben. Besser kann man es sich nicht vorstellen. Danach noch der erste Sonnenuntergang in den Bergen und zum Schluss ins Bett. Im ganzen Zimmer nur bekannte Leute. Bis jetzt schnarcht noch keiner. Ich hoffe ich werde es auch nicht. Und morgen, morgen werden wir uns bestimmt hier oben bewegen. Zum Glück kein Aufstieg mehr, habe ich noch gedacht, bevor ich eingeschlafen bin.
Ein neuer Tag. Alle wollen schon aufstehen. Warum denn, ich möchte noch schlafen. Aber das Frühstück wird bestimmt lecker. Es lohnt sich also aufzustehen. Und ich hatte recht. Ich frage mich immer noch, ob die Amazon Drohne bis zu dieser Hütte fliegt. Welchen Luxus hatten die nicht?
Oh, nein! Es hat sich herausgestellt, dass wir den Berg runter gehen. Den gleichen Weg paar hundert Meter nach unten und dann links. Das ist schlecht für die Knie habe ich mir gedacht. Aber bald ist wieder eine grüne Wiese gekommen. Wieder ein Bach und Spuren von Schafen. Wie toll. Bestimmt wird es ab jetzt nur noch so. Heute gehen wir durch Mutzentobel und Schrofenpass, und dort wartet auf uns wieder eine Zwischenhütte.
Was ist denn das, habe ich gedacht. Das ist eine Kluft vor uns. Ein enger Weg mit einem Seil und Schnee am Ende. Das war das erste Mal, dass wir durch schmelzenden Schnee gegangen sind. Wenn man hier runter rutscht… habe ich mir gedacht. Geschafft! Wieder Wiese, Bach und ein perfekter Ausblick.
Wir sind bis zu dem Meilenstein gekommen. Hier ist noch Bayern, und da weiter ist Tirol. Toll, dass wir EU und Schengen haben, sonst hätten wir hier bestimmt unseren Pass zeigen müssen. Wieder die Bäume. Das bedeutet, dass wir wieder runter gehen. Und echt, da unten waren schon die Fahrradfahrer zu sehen. Wo wollen die denn fahren?
Die Kluft vorher war nichts gegen das hier. Hier ist es noch enger, noch tiefer und noch erschreckender. Bis heute habe ich gedacht, dass ich derjenige bin, der wirklich Höhenangst hat. Und ich habe echt gut geblufft, dass bei mir noch alles ok ist. Zum Glück haben sie die Stellen, wo der Weg ins Tal gefallen ist, mit Alubrücken repariert. Und ich kann verstehen, dass es schwierig ist bis dort Oben eine massive Konstruktion zu schleppen, die nicht wackelt.


Weiter. Jetzt gehen wir runter über die Alpe Kühgehren nach Mittelberg. Die ersten Kurven sind wieder hart. Meine Knie sind ganz weich und kraftlos. Aber mit jedem Schritt wird es leichter. Die Umgebung wird grüner. Bäume kommen. Vorne sieht man die Hütte. Wir sind plötzlich in Österreich. Man merkt es daran, dass die Kühe anderes muhen. Die Wurst in der Pause während man runter in das Tal sieht. Das ist eigentlich so, wie ich es erwartet habe. Bergsteigen für Anfänger.
Noch die letzten Schritte und die Berge können wir nur noch hinter uns sehen. Wir sind im Kleinwalsertal gelandet, in Österreich. Wieder Asphalt, Beton und Hitze. Man sieht noch die fleißigen Bauer Heu sammeln. Hart muss man hier in den Bergen arbeiten um zu überleben.
Einer mehr fertig als der andere haben wir am Seitensteg gesessen und auf unseren Bustransfer nach Oberstdorf gewartet. Unsere Körper waren fertig. Und man konnte es auch hören.
Manche sind direkt zum Bahnhof, andere zu den Autos gegangen. Das Wochenende ist vorbei. Aber ich bin froh, dass ich dabei war. Es war ein wunderbares Erlebnis, das ich jedem empfehlen würde.
Wenn sich noch einmal einer findet, der so etwas tolles organisieren wird, werde ich bestimmt wieder dabei, habe ich mir gedacht, als mein Auto wieder auf der Autobahn Richtung München gebrummt ist

von Uros Livk

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